Wir nähern uns Astrid Lindgren
Nach vier Tagen am Göta Kanal darf man ruhig wieder neue Ziele anstreben.
Wir nähern uns Astrid Lindgren, wir nähern uns Småland, aber in kleinen Schritten.
Am Ostufer des Vättern Sees, übrigens der zweitgrößte See Schwedens, stoßen wir auf das Städtchen Gränna.

Was hat Gränna zu bieten? Einen Yacht- und Fährhafen mit der entsprechenden Infrastruktur. Hier im Hafenbereich ist alles auf Tourismus ausgelegt. Hier gibt es Restaurants, Bars, Cafe´s, zahlreiche Boutiquen und am Freitag Abend gute Live Musik.

Im Hafenbereich finden die Wohnmobile ausreichend Park- und Übernachtungsmöglicheiten, von einigen Parzellen ist sogar der Blick auf den Vättern See inklusive.
Womit lockt Gränna seine Gäste weiterhin? Sicherlich mit seiner schönen am Hang gelegenen Kirche. Wie bislang alle Kirchen, die wir bisher besichtigt haben, ist auch dieser protestantische Kirchenbau recht schlicht gehalten, die Wände sind schlicht weiß gestrichen, lediglich Kanzel und Altar bestechen durch aufwändige Schnitzereien.

Ein Museum gäbe es in Gränna auch zu besuchen, aber danach ist uns am Freitag Nachmittag nicht.
Aber warum drängt und quält sich alles durch die Hauptstraße Brahegatan? Die rot-weiße Zuckerstange Polkagrisar ist der Grund. Fast jeder zweite Laden ist eine Zuckerstangenmanufaktur, hier gibt es Süßigkeiten in allen Variationen, einige Geschäfte bieten sogar ein „Show-Kochen“ man kann die einzelnen Arbeitsgänge der Herstellung hautnah verfolgen.

Samstag, 28. Juni
Jönköping liegt am Südufer des Vättern Sees. Jönköping ist eine quirlige Universitätsstadt, hat einen ansprechenden Yachthafen, hat die klassische protestantische Kirche (wir wohnen rein zufällig einem Konfirmationsgottes bei), aber Jönköping hat auch ein Alleinstellungsmerkmal: das Streichholzmuseum Tändsticksmuseet.

In einem alten Werksgelände, in dem früher die Originalfabrik Streichhölzer produzierte und in alle Welt exportierte, ist nun das Museum untergebracht.
Wir lernen, wie aus dem dicken Baumstamm der Espe dünne Holzschichten heraus gefräst wurden, wie aus diesen dünnen Platten tausende und abertausende von diesen kleinen Streichhölzern geschnitten wurden. Die entsprechen Originalmaschinen sind hier ausgestellt.
Wir lernen auch, wie gefährlich und gesundheitsschädigend die Herstellung der Zündköpfe war, welche Auswirkungen das Einatmen der Phosphordämpfe hatte: viele Arbeiterinnen bekamen schon in jungen Jahren Zahn- und Haarausfall und durften somit auch nicht mehr in der Fabrik arbeiten. Und wer nicht mehr in der Fabrik arbeitet, verliert den Anspruch auf eine Arbeiterwohnung. Der Weg in Armut und Armenhaus ist vorgezeichnet. Wir lernen, wie Teile der Produktion ins häusliche Umfeld verlagert wurden, die Herstellung der Innen- und Außenschachteln vornehmlich von Kindern im Heimarbeit erledigt wurde.
Hier sind die Künstler / Grafikdesigner des vergangenen Jahrhunderts gefragt!
Knapp eine Stunde dauert unser Museumsbesuch, wir haben viel Neues erfahren über Arbeits- und Sozialleben im späten 19. Jahrhundert.
Fazit: man wird durch einen Museumsbesuch nicht dümmer!
Man wird aber durstig und hungrig, definitiv! Welch ein Glück, dass im Zentrum von Jönköping an diesem Wochenende ein internationales Food-Truck-Festival stattfindet. So viele Nationalitätsfahnen können ja kaum die Vereinten Nationen aufweisen. Wir werden von der britischen Flagge angelockt, d.h. wir essen heute Fish&´Chips.

Bleibt noch die Frage der Übernachtung zu klären. Wir folgen den Informationen unseres Reiseführers und finden ca. fünfzig Kilometer südöstlich von Jönköping den kleinen Ort Eksjö. Wir finden auch den offiziellen Wohnmobilstellplatz, leider sind alle zehn Stellplätze belegt. Aber das ist kein Problem, denn angrenzend wartet eine recht großer Parkplatz an der Sporthalle auf uns. Auch einige Wohnmobile stehen bereits hier, sogar zwei Wohnwagengespanne.
Was ist diesen Fahrzeugen gemeinsam? Die Männer sitzen davor und werkeln, schrauben an hochwertig aussehenden Mountainbikes.
Dazu morgen mehr!
Sonntag, 29. Juni
Als wir heute morgen aufwachen sind wir umzingelt von Wohnmobilen, Caravans und PKW´s mit Fahrradträgern! Der gesamte Parkplatz ist voll, übervoll!
Heute morgen findet ein Fahrradrennen statt, ein Mountainbike Rennen. Der junge freundliche Mann, der seinen Wagen neben unsere Womotür gequetscht hat, klärt auf: Um 10.00 Uhr startet das Damenrennen über eine Länge von 32 Kilometern, um 11.00 Uhr startet das Herrenrennen über 72 Kilometer und anschließend erfolgt der Start für Kinder und Jugendliche.
Um 11.00 Uhrstehen wir an der Startlinie und fiebern mit!

Nun aber zu Eksjö. Der Reiseführer aus dem M.Müller Verlag schwärmt geradezu: „...In der Altstadt von Eksjö scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Gamla Stan weist eine der vollständigsten Holzbebauungen des Landes aus. … man spaziert vorbei an roten, weißen und pastellfarbenen Holzhäuschen, teils in Blockbauweise errichtet, mit verzierten Balustraden, niedrigen Gängen und Toren, die in die Hinterhöfe einstiger Handwerksbetriebe oder in verwunschene Gärten führen.“

Heute am Sonntag bieten natürlich auch die Konditoreien der Stadt leckerste Produkte.

Der Tag ist noch lange nicht zu Ende – es sollen die anstrengendsten zwei Stunden unseres bisherigen Lebens folgen (na ja, vielleicht etwas stark übertrieben). Der Grund ist Skurugata. zwölf Kilometer nordöstlich von Eksjö.
In der offiziellen Broschüre heißt es:“Skurugata wird als das sonderbarste Naturphänomen Südschwedens beschrieben. Dieser geheimnisvolle Platz hat viel Stoff für Sagen über Trolle und Räuber geliefert.“
Im Reiseführer lesen wir:“Die Schlucht Skurugata gibt einen Eindruck von der besonderen Topografie Smålands. Bis zu 35 Meter ragen ihre Felswände senkrecht empor, sie sind aus braunem, vulkanischem Gestein. Entstanden ist die 800 Meter lange Schlucht, die mit einer Breite von sieben bis 24 Metern in die Landschaft schneidet, am Ende der letzten Eiszeit vor rund 10000 Jahren. Wer durch sie hindurch wandert, der muss sich auch im Sommer warm anziehen, denn über zehn Grad steigt das Thermometer dort nie.“

Wir sind gut ausgerüstet, haben Wanderschuhe dabei, die den Knöchel schonen und sind froh, dass wir auch die Wanderstöcke mitgenommen haben – ohne diese Ausrüstung hätten wir keine Chance in der Schlucht. Es geht bergauf, bergab, über Geröllfelder, scharfkantige Felsbrocken - zwei Stunden, die den Puls in die Höhe treiben.

Geschafft!

Aber warum tun wir uns diese Tortur eigentlich an? Es zwingt uns doch niemand! Als wir schließlich nach zwei Stunden die 320 Meter hohe Anhöhe Skuruhat erreichen, sind wir stolz!

Jetzt heißt es nur noch einen Platz für die Nacht zu finden. Der „Movänta Camping“ bei Hult hat alles, was wir brauchen, einen Badesee und einen Stellplatz in der ersten Reihe.
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